Linda Kastrup: „Mehr Tempo beim Klimaschutz!“
Linda Kastrup (am Mikrofon) setzt sich dafür ein, dass Bäume in einem Wald in Oberhausen nicht für ein neues Autobahnkreuz abgeholzt werden.
Foto: Gerd Wallhorn/Funke Foto Services
Klimaaktivistin Linda Kastrup von „Fridays for Future“ demonstriert gerade zehn Tage lang in einem Klimacamp in der Stadt Oberhausen. Dort soll ein Wald für ein neues Autobahnkreuz abgeholzt werden. Ein Interview:
CHECKY!: Wir haben in der Serie „Unsere Erde, unsere Zukunft“, die seit September 2020 auf der CHECKY!-Tageszeitungsseite läuft, schon viele Zusammenhänge erklärt, zum Beispiel den Treibhauseffekt oder warum der Golfstrom schwächer wird. Glauben Sie, die Menschen kennen diese Zusammenhänge gut genug?
Linda Kastrup: Ich glaube, dass es viele gute Ansätze gibt. Aber insgesamt erreichen sie noch nicht die Mehrheit, die wir bräuchten, um Klimagerechtigkeit wirksam durchzusetzen.
Wird in der Schule genügend informiert?
Das Klima-Thema ist in gewissen Lehrplänen verankert, aber es wird noch lange nicht genug behandelt. Kinder müssen von klein auf mitgenommen werden.
Sollte es ein eigenes Schulfach geben?
Es muss vor allem jetzt schon in allen Fächern im Lehrplan verankert werden. Man kann das Klima-Thema in Deutsch und Englisch als Sachtexte einbauen, in den Sozialwissenschaften als soziales Thema, und in den Naturwissenschaften werden die Hintergründe erklärt.
Und die Medien? Sollten sie mehr berichten?
Auf jeden Fall, aber auf andere Art und Weise. Wenn wir die Bilder vom Hitzesommer im Fernsehen sehen, werden häufig Menschen gezeigt, die im Pool schwimmen und Spaß haben. Das zeigt aber nicht die Dramatik dieser Krise, nämlich dass in einem solchen Sommer viele Menschen an Hitze sterben.
Wo bekommt denn junge Leute verständliche Informationen? Haben Sie ein Beispiel?
In den Sozialen Medien kann ich den Instagram-Kanal klima.neutral empfehlen.
Ist die Ausstellung „Das zerbrechliche Paradies“ in Oberhausen auch ein guter Ort, um sich zu informieren?
Es ist eine wunderschöne Ausstellung, die Menschen über die Kunst näherbringt, worum es eigentlich geht: die Bewahrung der Erde und der Natur und dementsprechend auch das Überleben der Menschheit.
Ist es wichtig, dass bekannte Leute wie Eckart von Hirschhausen oder Sven Plöger „Fridays for Future“ unterstützen?
Es braucht laute Stimmen in den Medien. Aber was Menschen motiviert, Dinge zu tun, sind wir alle. Durch meine vegane Ernährung habe ich meiner Familie gezeigt: „Hey, es ist möglich!“ Es ist auch einfach, an einem Protest teilzunehmen. Ich hätte von manchen Personen nie gedacht, dass sie mit mir gemeinsam auf eine Demo gehen würden.
Die Demos von „Fridays for Future“ waren 2019 viel größer als heute. Wo sind die Leute geblieben?
Klimakrise, Coronakrise, Energiekrise – die Krisen haben sich nacheinander abgelöst. Dabei hängen sie alle zusammen. Und was die Leute angeht: Eine große Herausforderung ist sicher, dass wir seit fast fünf Jahren aktiv sind und Demo für Demo organisieren. Und am Ende des Tages setzen die Regierungen durch, was sie wollen. Das kann sehr frustrierend sein.
Es gibt auch viele positive Nachrichten, über die wir in der Serie berichtet haben. Zum Beispiel will Kopenhagen 2025 die erste klimaneutrale Hauptstadt Europas sein. Was sind für Sie positive Beispiele? Das 49-Euro-Ticket zum Beispiel?
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Das 49-Euro-Ticket ermöglicht aber nicht so vielen Menschen die Mobilität, wie es das 9-Euro-Ticket getan hat. Und ein großer Erfolg war das Klimaschutzgesetz, was maßgeblich von „Fridays for Future“ erkämpft wurde. Wenn sich die Regierung auch dran halten würde, wäre es natürlich umso besser. Vieles geht in die richtige Richtung, aber eben nicht schnell genug..
Was haben „Fridays for Future“ und die „Letzte Generation“ gemeinsam?
Wir kämpfen für Klimagerechtigkeit und haben gemeinsam, dass wir froh sind über alle, die sich fürs Klima einsetzen und politisch Druck aufbauen.
Und wie steht „Fridays for Future“ zu den Aktionen der „Letzten Generation“? Schaden sie oder helfen sie?
Dazu möchte ich mich nicht äußern.
Warum sind Sie Klimaaktivistin geworden?
Ich habe immer wieder gesehen, dass die Regierung Entscheidungen gegen das Pariser Klimaabkommen getroffen hat. Als die Corona-Pandemie begann, schien die Regierung die Klimakrise plötzlich zu vergessen. Ich bin frustriert, dass so mit dem Leben von vielen Menschen auf der Erde gespielt wird.
Wie sieht Ihre Woche aus?
Ich bin Studentin und schreibe gerade meine Bachelor-Arbeit. Aktivismus bedeutet, sehr viel Zeit in Videokonferenzen und Telefonaten zu verbringen. Wir überlegen, was die nächsten guten Schritte sein könnten und wir organisieren viele Demonstrationen und sind dann auf den Straßen für den Protest. Zuletzt haben wir das Klimacamp hier in Oberhausen-Sterkrade organisiert.
Was soll das Klimacamp bewirken?
Wir sind hier, um für den Sterkrader Wald und für eine sozial gerechte Verkehrswende zu demonstrieren. Es kann in diesen Zeiten nicht sein, dass wir Wälder für Autobahnen opfern. Wir kämpfen für eine Mobilität für alle, mit der wir klimaneutral, einfach und kostenlos von A nach B kommen.
Um wie viel Wald geht es?
Um 11 Hektar Wald und 22 Hektar Böschungsfläche. Der Lebensraum von zahlreichen Tieren, zum Beispiel dem Feuersalamander oder einigen Fledermausarten, würde kleiner werden. Den Menschen, die hier wohnen, würden ein Naherholungsgebiet und eine natürliche Klimaanlage genommen. Bäume kühlen das Stadtklima extrem runter.
Was bedeutet „sozial gerecht“ für Sie?
Wir müssen an die Menschen mit weniger Geld denken. Wenn der ÖPNV nicht günstig ist, dafür aber die Benzinpreise, werden Leute immer weiter das Auto nutzen, weil sie sich kein Busticket leisten können.
Aber auf dem Land funktioniert es nicht mit dem ÖPNV…
Es ist klar, dass Leute auf dem Land viel mehr auf das Auto angewiesen sind als in der Stadt. Es soll auch niemandem ein Auto weggenommen werden. Da brauchen wir andere Lösungen.
Sind Sie für ein Tempolimit?
Auf jeden Fall. Es wäre eine der einfachsten und kostenlosen Maßnahmen, die wir haben, um etwas fürs Klima zu tun. Ob es dann 120 km/h oder 100 km/h sind, darüber kann man dann immer noch sprechen.
Linda Kastrup ist 24 Jahre alt und lebt in Duisburg.